Cycling Anden 2019
2 — Great Divide of Peru 1
10.09.2019
10.09.2019
10.09.2019, Ruta Pastoruri, Peru
Seit Stunden fahre ich auf einer miserablen Schotterpiste mit kaum fünf Stundenkilometern, stetig hin und her pendelnd, die ganze Strassenbreite nach dem bestmöglichen Belag absuchend, den groben Steinen, den Wasserlöchern, den Wellblechen und den Querrinnen ausweichend, bergauf. Die dafür erforderte Konzentration scheint, in Kombination mit der, durch die Höhe bedingt, dünnen Luft, mein Bewusstsein genau soweit zu beanspruchen, dass es zufrieden, nach keiner weiteren Beschäftigung verlangt.
10.09.2019
11.09.2019
11.09.2019, Ruta Pastoruri, Peru
Ich stehe, von einer Herde von Schafen zum Absteigen gezwungen, auf der Strasse zu einem namenlosen Pass auf der Ruta Pastoruri und nehme die Sonnenbrille ab um mich auf die Begegnung mit dem Reiter vorzubereiten, den ich schon lange zuvor weit unten in der Ebene als kleiner Punkt, wegen dem übergeworfenen Poncho mit dem Pferd als eins erscheinend, entdeckt habe und der nun, unerwartet plötzlich, meinen Weg kreuzt.
Seine tiefdunklen Augen schauen mich an, aber doch irgendwie durch mich hindurch. „Estas viajando“ fragt er überraschend abgeklärt, hat die Strasse bereits überquert, gibt seinem Pferd einen Klaps und treibt es weiter den Hang hinauf. Ein überflüssiges „si, si“ bringe ich endlich heraus. Es werden die einzigen Worte bleiben die ich an diesem Tag mit einem Menschen wechsle.
11.09.2019
11.09.2019
11.09.2019
11.09.2019
12.09.2019
12.09.2019
12.09.2019
12.09.2019
12.09.2019
12.09.2019
13.09.2019
12.09.2019
13.09.2019
14.09.2019
12.09.2019
16.09.2019, Lacuna Sura Saca, Peru
Am Ufer der Laguna Sura Saca erwache ich morgens um 6 Uhr und sehe zu wie der gelbe Stoff meines Innenzeltes langsam zu leuchten beginnt. Es ist die Sonne, die ich nach dieser langen und kalten Nacht auf 4400 Metern über Meer sehnlichst erwartet habe und die sich nun daran macht das Kondenswasser, welches meinem Körper während der Nacht entwich und auf der Innenseite des Aussenzelts zu Reif gefror, wieder aufzutauen. Am Innenzelt perlen die Tropfen ab und kullern seitlich weg. Einer nach dem Andern. Ich habe Hunger.
12.09.2019
12.09.2019
19.09.2019
20.09.2019
19.09.2019, Parquin, Peru
Morgens um vier Uhr liege ich wach in einem der eisernen Betten im oberen Stock des Lehmziegelhauses in dem mich eine neunzig jährige Frau, die im Erdgeschoss einen Laden betreibt und im Nebenraum wohnt, untergebracht hat. Nicht das Prasseln des heftigen Regens auf dem Wellblechdach hält mich wach, sondern der Streit zwischen der Alten und ihrem aus Lima angereistem Sohn, der seit einer Weile seine schwerhörige Mutter zu überzeugen versucht, ihm und seinem Freund, mit dem er, zuerst im Laden und später draussen auf dem Platz, die Nacht durchsoffen hat, noch zwei Bier aus dem Laden zu holen. Durch die Ritzen des lotterigen Bretterboden wirft das Licht im Erdgeschoss ein Streifenmuster unter das Wellblechdach.
20.09.2019
20.09.2019
20.09.2019
20.09.2019, Abra Cuchopampa, Peru
Nachdenklich betrachte ich die Spur eines Motorradreifens in der morastigen Strasse neben der meines Fahrrads. Es ist die Spur jenes Motorradfahrers den ich heute Morgen, mir im Aufstieg zum Pass entgegenkommend, angehalten und nach dem Zustand der Strasse befragt habe. „Feo“, antwortete der junge Mann während er kopfschüttelnd mein Fahrrad studiert. 7 Stunden bin ich seither seiner Spur in der vom Regen und Schneefall der letzten Nacht aufgeweichten Strasse gefolgt, der Spur des einzigen Menschens der an diesem Tag den gleichen Weg durch diese frisch verschneite Hochebene nahm um über den 4860 Meter hohen Pass Abra Chucopampa von Vichaycocha nach Parquin zu gelangen, der einzige Mensch, der hier, vor vielleicht neun Stunden vorbeigekommen ist, wo ich nun, von einer Herde Lamas beobachtet, mit unterkühlten Händen die Räder meines Fahrrads wieder einbaue, nachdem ich sie vom klebrigen Schlamm befreien musste um das Fahrrad die letzten paar hundert Meter zur Passhöhe hochschieben zu können.
20.09.2019
20.09.2019
21.09.2019
21.09.2019
23.09.2019
24.09.2019
24.09.2019
24.09.2019
25.09.2019
25.09.2019
25.09.2019
26.09.2019
27.09.2019
28.09.2019
29.09.2019, El Bodegón, Lima, Peru
Im Restaurant El Bodegón in Miraflores sitze ich den vierten Abend in Folge an der Bar und esse.
Nach einer sechsstündigen Reise in klapprigen „Colectivos“, vom hoch in den Anden gelegenen Chicla entlang der Carretera Central hinab nach Lima, durch endloses, dem Fremden desaströs und elend erscheinenden Siedlungsgebiet, welches von der Küste weit das Tal und die Hänge des Rio Rimac hinauf wuchert, war es absurd in Miraflores anzukommen, in einem jener Stadtteile Limas in welchem ein kleiner Teil der peruanischen Bevölkerung ein Leben führt wie es dem Touristen aus Europa vertraut sein mag und der für seine Weltklasserestaurants bekannt ist, um dort, nachdem mir das extreme soziale Gefälle dieses Landes überdeutlich vor Augen geführt wurde, verstört aber auch befreit, augenblicklich während vier Tagen einer gierigen Völlerei zu verfallen, die ich nun mit einer torta de chocolate de santo abschliesse während ich mich mit einem sympathischen, im Minengeschäft tätigen Herrn über die Probleme Perus und der Welt überhaupt austausche.
26.09.2019
26.09.2019