Cycling Anden 2019
9 — Paso Sico
04.12.2019
06.12.2019
06.12.2019
06.12.2019
06.12.2019
06.12.2019
08.12.2019
08.12.2019
08.12.2019
08.12.2019
08.12.2019
08.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
09.12.2019
10.12.2019
10.112.2019, Aduana Paso Sico, Argentinien
Vielleicht ähnlich einer Mutter, die, ihr Kind in den Armen haltend in den Knien wippt, hat mich die
holprige Wellblechpiste in den 3 Stunden, die ich seit der argentinischen Aduana am Paso Sico
unterwegs bin, in jenen glückseligen Zustand der Gleichmütigkeit gerüttelt, in dem Ziel und Zeit
ihre Bedeutung verlieren. Die Welt in der ich existiere hat sich auf den unbedeutenden Ausschnitt
von vielleicht zehn Metern einer Tagesetappe reduziert den ich mit gesenktem Kopf im Blickfeld habe
und der sich unmerklich vorwärts verschiebt.
Es ist einer jener Streckenabschnitte, die es, wie dramaturgischee Durchhänger in zu langen
Theaterstücken, zur Intensivierung eines späteren Höhepunkts, einfach auszuhalten gilt.
Drei Tage später …
Drei Tage später …
10.12.2019
11.12.2019
11.12.2019
11.12.2019
12.12.2019
11.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019
13.12.2019, Valle del Rio Toro, Argentinien
… drei Tage später, als ich von der Abra Blanca, dem Rio Rosario folgend, von 4080 auf 1400 Meter,
hinunter nach Salta rolle, werde ich verstehen, auf welchen Punkt der Dramaturgie ich in diesem
Moment hingeführt wurde.
Habe ich mich während Wochen der Reise durch die karg-kalten, lebensfeindlichen Höhen der Anden,
langsam, je weiter ich Richtung Süden vorgedrungen bin, an immer kargere und trockenere
Landschaften, mit immer zäherer und stacheliger Vegetation gewöhnt, habe feine Nuancen von
verschiedenen Brauntönen zu differenzieren und die kleinsten Anzeichen von Leben zu schätzen
gelernt, um jetzt, auf einer einzigen Abfahrt auf der Ostseite dieses gewaltigen Gebirgswall, die
Rückkehr der Farbe Grün als gewaltiges Glück zu erleben?
Auf Kakteen folgen Bollen von feinem, hochwachsendem Schilf, dann Gras, später Bäume, fein belaubte
Bäume, zuerst am Talboden, erst nach und nach auch an den Hängen. Da wird plötzlich das Rauschen von
fliessendem Wasser, das Rauschen vom Wind im Laub zu hören sein, das Geschrei von bunten Vögeln die
sich in den Stauden streiten.
Weiter unten hängen Wolken über dem Tal und die von Feuchtigkeit gesättigte Luft wird meine von
Trockenheit gerissenen Lippen und die gespaltene Haut an den Fingern behandeln, besser als jeder
Balsam es könnte.
Und in dem Moment als ich erkenne, wie sehr ich mich plötzlich an die südlichen Täler der Alpen
erinnert fühle, multipliziert sich ein Hauch von Heimweh, welches ich über Monate nicht zu verspüren
glaubte, mit der Freude über die Rückkehr des Lebens und der Erschöpfung vom zermürbenden Kampf
gegen den Wind und alles zusammen bringt mich zum Heulen, dass es mich schüttelt.
Ich öffne die Tafel Milka-Schockolade die ich in San Antonio de los Cobres gekauft und darüber
gestaunt habe, dass sie mehr als das doppelte gekostet hat als das vorzügliche Dreigang-Mittagsmenu
im
Comedor El Argentino.
13.12.2019
14.12.2019
14.12.2019
06.07.2020, Badenerstrasse, Zürich
In meiner Wohnung in Zürich knie ich am Rand der weissen Badewanne und spüle mit der Duschbrause die
Fahrradtaschen ab, in denen ich während eines halben Jahres mein Gepäck durch die Südamerika
transportiert habe. Ich betrachte, wie sich das abfliessende Wasser rötlich-braun verfärbt und lasse
mich vom Gedanken gewinnen, dass es keine effizientere Art gegeben hätte, diese 160 Tage in den
Anden zu dokumentieren, als dieser Dreck, der sich auf einer Strecke von 5000 km im Gewebe dieser
Taschen gesammelt hat, der nun dem Wasser diese unverkennbare Farbe gibt und über die Kanalisation
einer Zürcher Wasseraufbereitungsanlage entgegen fliesst